BERNAUERIN
Die Legende der Agnes Bernauer
Auf sechs großen Leinwänden und einer kleineren breitet Ivana Koubek die tragische Geschichte der Agnes Bernauer aus, die sich als junge Frau aus dem Bürgertum in den bayerischen Herzogssohn Albrecht III. verliebt und ihn heimlich sogar geheiratet haben soll, wofür es jedoch keine Belege gibt. Herzog Ernst sah durch die unstandesgemäße Verbindung seines einzigen Sohnes die Erbfolge gefährdet, und war aus diesem Grund vehement gegen diese Beziehung. In Abwesenheit seines Sohnes ließ er Agnes Bernauer unter der Beschuldigung, dass sie ein „böses Weib“ sei verhaften und schließlich zum Tode verurteilen. Sie kam schließlich in den Fluten der Donau bei Straubing ums Leben. Während die ersten drei Kompositionen neben Schwarz- und Grautönen auch Ockerfarben und Rot enthalten, strahlen die letzten vier Tafeln mit dominierendem Schwarz die ganze Dramatik und Düsternis der geschilderten Ereignisse aus. Am Anfang steht die Schilderung „Unsittliches Treiben im mittelalterlichen Bad“. In dem dichten Gewirr aus Figuren, Schädeln, Skeletten und Körperteilen erkennt man auch das Zitat eines Holzschnittes aus dem Umkreis Albrecht Altdorfers und letztlich fühlt man sich auch an das Liebespaar aus den Fragmenten des Kaiserbades von Altdorfer erinnert. Damit folgte die Künstlerin der Überlieferung, dass Agnes Bernauer die Tochter eines Badbesitzers und Barbiers in Augsburg gewesen sein soll. Ivana Koubek verknüpft diesen Umstand also mit einem Bezug zu Regensburg. Über eine freie Paraphrase über die „Mittelalterliche Liebe“ thematisiert das dritte Bild „Das Schicksalsrad“, auf das, in Form eines Folterrades, Agnes Bernauer letzten Endes gespannt wird. Das vierte Bild thematisiert die „Massenhysterie Hexenwahn“.
In Texten, die in die Komposition eingebunden sind, erläutert die Künstlerin die verheerende Geschichte der Hexenverfolgungen vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit. Von einem Hexenprozess ist in der Überlieferung zwar nicht die Rede, doch verknüpfte die Künstlerin die Themen dennoch miteinander. Die fünfte Komposition zeigt den „Prozess“ mit den Richtern am oberen Bildrand. Schwarz und bedrohlich treten sie dem Betrachter gegenüber. Von diesem Anblick geht keine Hoffnung aus. Diese Hoffnungslosigkeit wird im sechsten Bild zur Gewissheit – es zeigt in verklausulierter Form die Ermordung der Agnes Bernauer in den Fluten der Donau. Am Ende steht das „Requiem“. Ivana Koubek gelang mit dieser monumentalen Arbeit eine sehr eindrucksvolle Schilderung der dramatischen vermeintlichen Ereignisse rund um die junge Agnes Bernauer. Sie ist Anklage der Unmenschlichkeit, die in der europäischen Geschichte zu unvergleichlichem Unrecht führte und der nach Schätzungen um die 1.000.000 Menschen zum Opfer fielen. Die meisten davon waren Frauen und so wird das Kunstwerk auch zu einer Anklage der gesellschaftlichen Verhältnisse in Vergangenheit, aber auch Gegenwart.
Dr. Reiner Meyer