FAUST - WALPURGISNACHTSTRAUM
In der sechsteiligen, monumentalen Arbeit „Faust“ setzte sich Ivana Koubek mit einem der Dramen der deutschen Literatur schlechthin auseinander, mit dem „Faust“ von Johann Wolfgang von Goethe. In ihm verdichten sich die großen Fragen des Lebens, die Fragen nach Liebe und Leidenschaft, Sehnsucht, Verzweiflung und vermeintliche Erlösung. Der in die Jahre gekommene Faust, der von seinem Leben als Gelehrter frustriert und desillusioniert ist, geht einen Pakt mit dem Teufel – Mephisto – ein, um noch einmal die Wonnen der Liebe zu einer jungen Frau – Gretchen – zu erfahren. In Koubeks Werk geht es im Speziellen um den „Walpurgisnachtstraum oder Oberons und Titanias Goldne Hochzeit – Intermezzo“. Im Faust I ist es eine Art „Stück im Stück“ mit zahlreichen Bezügen, so zum „Sommernachtstraum“ von William Shakespeare. Die Komposition zeigt ein Konglomerat ineinander verschlungener Köpfe, Leiber, Körperteile, Krallen und Fledermäusen.
Faust – Walpurgisnachttraum, Installation der Ausstellung in der Städtischen Galerie im Leeren Beutel, Regensburg, 2020
Die Köpfe und Figuren verkörpern die in der Szene Auftretenden: der Geist, der sich erst bildet, der Dogmatiker, der Idealist, Mephisto, die Junge Hexe, der Skeptiker, der Purist, der Autor, der General und schließlich Puck. Alle sind mit Zitaten vertreten. Die Walpurgisnachtszene und der Walpurgisnachtstraum sind wichtige Abschnitte im Fortgang des Dramas. Hier versucht Mephisto den Sieg in der Wette mit Gott um die Eroberung einer menschlichen Seele – in diesem Fall Faust – davonzutragen, indem er ihn zum ausschweifenden Fest am Blocksberg führt. In der vorherigen Szene „Im Dom“ spitzt sich für Margarete die Situation als gesellschaftlich in Ungnade gefallene Person durch die Liebesbeziehung zu Faust zu. Die Suche nach Zerstreuung und Vergessen im ausschweifenden Fest, der sich Faust hingibt, steht dazu im schärfsten Kontrast. Wie schon bei der „Bernauerin“, so interessiert sich Ivana Koubek auch hier
für die Rolle der Frau in der Gesellschaft und letzten Endes auch die ungerechten, ja brutalen und tödlichen Folgen eines Patriarchats, das die Künstlerin hier zurecht anprangert. Diese inhaltliche Brisanz wird mit außerordentlicher künstlerischer Meisterschaft vorgetragen. Das verdichtete Neben- Unter- und Übereinander der teils fragmentarischen Köpfe, Fratzen und Körper erzeugt seinerseits eine dramatische Wirkung, die dem Paradewerk der deutschen Klassik sehr gerecht wird.
Dr. Reiner Meyer